Wie jedes Jahr um diese Zeit werde ich öfters gefragt, welche Kamera man dem/der Liebsten oder sich selber zu Weihnachten schenken sollte. Und wie jedes Jahr ist es schwierig, darauf eine pauschale Antwort zu geben. Deshalb hier ein paar allgemeine Tips und Fallbeispiele. Vielleicht helfen sie ja jemandem.
Zunächst einmal…
Werde dir klar, was du fotografieren willst, und wohin du deine Fotografie entwickeln willst. Landschaften, Parties, Sport&Action, Menschen, Tiere, Blumen…? Einfach nur draufhalten, ohne viel einzustellen, oder kreativere Fotos schießen? So verschieden die Motive und die Ambitionen, so unterschiedlich die empfehlenswerte Hardware.
Da ich in der Consumer-Klasse fast keine persönlichen Erfahrungen habe, kann ich hier nur wenige konkrete Produkttips geben, sondern möchte euch vor allem helfen, selber zu entscheiden, was genau ihr braucht. Produktrezensionen findet man ja auf anderen Seiten genügend :)
Megapixel sind nicht alles
Daß mehr Megapixel nicht immer mehr bringen, hat sich glaube ich schon rumgesprochen. Mehr Megapixel pro Fläche bedeuten weniger Licht pro Pixelsensor, und damit höhere Rauschanfälligkeit. Deshalb ist man mit einer vernünftigen Auflösung (bei Crop-Sensoren 8-12 Megapixel) besser beraten als mit einem Pixelriesen.
Investiere lieber in gute Optiken als in die größte Kamera
Die beste Kamera ist nur so gut wie das Glas, durch das das Licht muß. Will heißen: Du kannst die beste Kamera der Welt besitzen; wenn die Linse davor eine Gurke ist, dann wird sie keine guten Fotos produzieren. Wenn du das mit der Fotografie ernst nimmst, dann investiere lieber langfristig in hochwertige Optiken. Eine Kamera ist bei den heutigen Produktzyklen nach 2-3 Jahren veraltet, eine gute Linse begleitet dich 20-30 Jahre und länger.
Es muß nicht immer eine Spiegelreflex sein
Mittlerweile scheinen DLSRs als Garant für bessere Bilder zu gelten, denn man sieht sie – vor allem an Touristenlocations – häufiger als Kompakt- oder Bridgekameras. Das ist aber nicht unbedingt wahr. Eine DSLR will ausgekostet werden, sowohl bei den Einstellungen in der Kamera, als auch bei der Nachbearbeitung, die für ernsthafte Fotografen im digitalen Zeitalter so selbstverständlich zum Workflow gehört wie dereinst die Dunkelkammer. Wenn man diese Möglichkeiten nicht nutzen will oder kann, warum dann das zusätzliche Gewicht und Packmaß einer Systemkamera auf sich nehmen?
Was ist von Kamera-Kits zu halten?
Häufig findet man im Netz oder in den Elektronikmärkten Kitangebote zu beliebten Kameras. Diese bestehen aus einem Body und einem meist günstigen Standardzoom (zB 18-55mm). Diese müssen nicht unbedingt schlecht sein, jedoch sollte man auch hier den geplanten Einsatzbereich berücksichtigen und die Tatsache, daß die Streuung in der Qualität bei solchen Objektiven oft größer ist als bei den höherwertigen Linsen. Außerdem lohnt sich ein Preisvergleich bei verschiedenen Anbietern.
Noch etwas zu EF-S Objektiven
Es gibt Objektive, die speziell für Digitalkameras mit Cropsensoren entwickelt wurden. Bei Canon heißen die “EF-S…”. Diese funktionieren mit den kleinen Kameras optimal und sparen außerdem Gewicht und Größe ein, können aber nicht auf Kameras mit größeren Sensoren verwendet werden. Wenn man seine Objektiv-Anschaffung also langfristig planen will, sollte man beim Kauf bedenken, ob man später auf größere Sensoren umsteigen will.
Fall 1: Wir planen eine Reise und wollen tolle Fotos mitbringen.
Der Kandidat hat schon die eine oder andere Kamera in der Hand gehabt, hat einen guten Blick für Motive. Nun soll der nächste Schritt folgen und in eine DSLR investiert werden. Das Budget beträgt bis zu 1000 €.
- Body:
Da der Beschenkte bereits Freude am Fotografieren hat und sich weiterentwickeln möchte, würde ich in wenige, dafür gute Optiken investieren, und mit einem kleinen Body anfangen, der in ein paar Jahren gegen einen größeren oder aktuelleren getauscht werden kann. Der Objektivpark wird sich im Laufe der Jahre je nach Vorliebe erweitern. Ein Body mit einer Brennweitenverlängerung von 1:1.6 (auch Crop-Faktor genannt) liefert im Vergleich zum Kleinbild-Äquivalent (auch Vollformat genannt) eine um 1.6 verlängerte Brennweite, d.h. bei einem EF-Objektiv werden aus “eigentlichen” 200mm 320mm, was bei zB Teleaufnahmen von Wildtieren nützlich sein kann.
Beispiele: Canon EOS 1100D, Canon EOS M - Weitwinkel-Objektiv:
Für Reisen ist natürlich ein Weitwinkel-Zoom so gut wie Pflicht, will man Landschaften, Gebäude und “das große Ganze” einfangen. Da man vorwiegend bei viel Tageslicht fotografieren wird, fällt Lichtstärke hier nicht so sehr ins Gewicht. Aber auch am Weitwinkel-Ende sollte man den Cropfaktor bedenken: Aus einem 20mm-Objektiv wird hiermit nämlich eine Brennweite von 32mm, was schon gar nicht mehr sooo weitwinkling ist.
Beispiele: Tamron 10-24, Sigma 18-50, Canon 17-40 L, Tamron 17-50 - Teleobjektiv:
Hier tue ich mich schwer mit konkreten Tips. Auf der einen Seite will man hier möglichst viel Lichtstärke, d.h. eine niedrige Anfangsblendenzahl, andererseits sollte das Teil auch relativ kompakt sein. Wenn ich etwas übers Budget hinaus gehen dürfte, würde ich hier definitiv das 70-200 4 L (ohne IS) empfehlen. Von der Bild- und Bauqualität eine wahrhaft professionelle Linse, dabei noch relativ leicht, und das für vergleichsweise wenig Geld. Bringt auch Wildtiere noch nah genug ran, um sie den Verwandten daheim zeigen zu können. ;) - Kreative Ergänzung:
Wenn es darum geht, sich fotografisch weiterzuentwickeln, zu spielen und zu experimentieren, ist eine 50mm-Festbrennweite das Mittel der Wahl. Hier kriegt man schon für schmales Geld viel Lichtstärke (f/1.8) und die Möglichkeit, Unschärfe als Gestaltungsmittel einzusetzen. Diese Linse (in meinem Rucksack als f/1.4) gehört zu meinen Favoriten, weil sie quer durch die Bank alles mitmacht und hervorragende Bildqualität liefert. Meine erste Wahl für Portraits.
Fall 2: Wir wollen schöne Bilder von unseren Kindern machen.
Der Bedachte möchte vor allem seine Kinder aufs Bild bannen und möglichst wenig Streß mit Einstellungen etc. haben.
- Body:
Ähnlich wie oben – klein anfangen und ggf. mit der Erfahrung aufrüsten. - Objektiv:
Für Portraitaufnahmen bietet sich am besten der Bereich von 50-100mm an. Da Kinder aber nicht immer fürs Bild stillhalten und sich die meisten Situationen spontan ergeben, kann sich ein möglichst großer Brennweitenbereich von ca. 20-200mm bezahlt machen, um flexibel reagieren zu können. Achte wenn möglich auf einen schnellen Autofokus und genügend Lichtstärke.
Beispiele: Sigma AF 18-200 - Auch hier wieder der Tip zu den 50mm für Ambitionierte, siehe oben.
- Da der Beschenkte aber sowieso eher drauflosschießen und sich nicht unnötig mit Einstellungen befassen möchte, ist er vielleicht mit einer guten Kompakten besser beraten. Merke: Man kann mit einer DLSR im Automatikmodus knipsen, aber das ist nicht Sinn und Zweck einer Spiegelreflexkamera.
Nebenbei bemerkt: Für richtig coole, zeitgemäße Familienfotos geht man heutzutage nicht mehr ins Studio, sondern engagiert einen Profi für ein Outdoor-Familienshooting an einer sorgfältig ausgesuchten Location. Statt mit den Studio-Bauklötzen spielen zu müssen, bringen die Kinder ihr eigenes Lieblingsspielzeug mit und so entstehen ungekünstelte Bilder in natürlicher Umgebung. Ich kann da übrigens jemanden empfehlen ;)
Fall 3: Mein Liebster hat einen Body “geerbt” und möchte nun ein Immerdrauf zum Anfangen.
Es geht darum, die Kamera für Ausflüge ins Grüne einsatzfähig zu machen, das Budget beträgt nur 200 €. Hier würde ich auch die Linse zunächst auf dem Gebrauchtmarkt suchen. Ein Brennweitenbereich von zB 18-55mm sollte fürs Erste reichen. Wenn es etwas mehr kosten darf, kann man sich zB ein 24-70 L anschauen.
Noch Fragen?
Ich hoffe, diese Beispiele helfen euch ein bißchen bei der Wahl der richtigen Kamera. Wer noch Fragen hat, kann diese gerne in den Kommentaren stellen.