Zu Besuch bei der Modedesignerin Gudrun Weber von Lieblingsteil

Im Rahmen der Serie “Region Aktiv” stelle ich hier Unternehmen vor, die mich begeistert haben. Weil sie etwas in die richtige Richtung bewegen, weil sie ähnlich über Nachhaltigkeit denken wie ich, weil sie dafür sorgen, daß traditionelle Fertigungsmethoden auch heute noch lebendig bleiben.

Dieses Mal habe ich eine ganz tolle Modedesignerin besucht, die ein wunderschönes Atelier am Simssee betreibt und die nach dem Upcycling-Prinzip zeitlose Damenmode und Dirndl aus hochwertigen Designerstoffen kreiert.

Nachdem mir mein Navi eine kleine Extratour beschert hat, finde ich mich schließlich in den “heiligen Hallen” von Lieblingsteil wieder und fühle mich sofort wohl…

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Und los geht’s mit den Fragen:

Zunächst mal für diejenigen, die dich noch nicht kennen: Wer bist du und was machst du?

Ich bin Gudrun Weber, ich bin seit 2 Jahren selbständig und ich mache Mode – Dirndl und alpine Lifestyle-Mode. Ein bißchen trachtig, ein bißchen casual… Klamotten, die mir gefallen, um auf den Berg zu gehen oder in der Natur zu sein.

Ok, hört sich cool an! Machst du das alles selbst?

Ja, das heißt ich entwerfe selber und mache auch teilweise die Schnitte selber. Im Moment hat sich das Auftragsvolumen so verdichtet, daß ich mir Hilfe geholt habe. Das heißt, ich habe einen kleinen Lohnkonfektionär, der mir dann mal 10-20 Stück einer Serie nach meinen Entwürfen durchnäht. Das Gleiche mit den Schnitten: Da entwickle ich einen Prototyp und dann geb ich’s meiner Schnittdirectrice und die gradiert mir das dann durch. Das Nähen, die Prototypen und auch die Maßanfertigungen machen wir hier alle selber, dafür habe ich eine sehr fitte Mitarbeiterin, die aus der Trachtenkonfektion kommt.

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Erzähl doch mal, wie bist du darauf gekommen, hier sowas aufzumachen? Woher kommst du?

Das hat verschiedene Ursachen. Wenn ich zB ganz früh in meine Kindheit zurückgehe… ich bin eins von fünf Kindern, und wir konnten uns nicht immer alles leisten. Ich mußte, bis ich in der Pubertät war und selber das Verständnis für Mode entwickelt hatte, teilweise sogar die Klamotten meines Bruders auftragen… [lacht]

Zum anderen meine Erfahrung in der Entwicklung, in der Beschaffung und in der Produktion bei meiner Vorgängerfirma, wo ich angestellt war. Da habe ich so viel gesehen und es wurde auch so viel weggeschmissen. Und ich dachte mir: Das kann nicht wahr sein, daß wir hier auf dieser Seite der Welt die Klamotte für 3 € das T-Shirt kaufen, und wenn’s nicht mehr paßt, dann werfen wir’s halt weg. Das war ein Entwicklungsprozeß, daß ich gesagt hab, da will ich eigentlich nicht mehr mitmachen.

Und als Drittes spielte mit rein, daß ich schon über 20 Jahre lang hier lebe und Tracht gerne mag, aber nie das Dirndl gefunden habe, mit dem ich als Zugereiste mich identifizieren konnte. Ich komme ja aus dem Hochschwarzwald und kenne die Tracht auch, aber ich kann mich nicht bunt kleiden, wie man das hier so üblicherweise macht, aber eben auch nicht mit viel Blingbling und viel Chichi, wie man’s in München macht. So habe ich angefangen, aus den Herrenkonfektionsstoffen meiner damaligen Firma für mich selber was zu entwickeln, und habe gemerkt, das finden ganz viele Frauen um mich herum ganz toll.

Aus den drei Bereichen wurde die Idee geboren: Ich will da was Eigenes machen.

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Das heißt, du arbeitest vorwiegend Herren-Konfektionsstoffe auf in neue Teile?

Damit habe ich angefangen, ja.

Ich habe dann auch Nadelstreifenhosen aus schöner Wollware genommen und Dirndl-Oberteile daraus konfektioniert. Damit habe ich genau meinen Stil gefunden und das habe ich auch für meine ehemaligen Kolleginnen vervielfältigt, die dann gleich meine ersten Kundinnen waren. So hat das begonnen.

In der Zwischenzeit bin ich aber losgezogen und habe in den Produktionsstätten sehr hochwertiger Designerlabels angefragt, ob ich die Produktionsstoffe haben kann, die übrig geblieben sind. Die würden sonst weggeschmissen werden oder irgendwo in der Ecke verstauben. Mal sind das 10 Meter, mal 3 Meter, aber auch mal 40 Meter. Die habe ich also eingesammelt, bzw habe ich inzwischen jemanden, der die für mich einsammelt, und mache aus denen das entsprechende Teil.

Aha, ok. Ja, du hast ja auch deine ganz eigene Farbwelt hier, alles irgendwie ineinander stimmig …

Ja, das ist alles relativ reduziert von der Farbigkeit… ich bin mehr oder weniger bei den klassischen Farben geblieben, von dunkelblau bis grau in allen Schattierungen, aber auch zB ein nebliges rosé wie dieses hier, eine meiner Lieblingsfarben dieses Jahr. Viel krachige Farben wird man hier nicht finden, außer eben bei den Kinderdirndln. Wobei die auch vom Stil eher in eine Richtung gehen.

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Du bist also aus dem Drang heraus, für dich selbst etwas zu machen, dazu gekommen, das alles zu entwickeln?

Ja, das hat sich mehr oder weniger überschnitten. Ich hab immer schon DAS Dirndl für mich gesucht und habe nie gewußt, wo ich das finden kann, und dann gesagt: Wir haben bei unserer Herrenkollektion so tolle Stoffe, da hätte ich jetzt gern ein Dirndl draus!

Dann aus dem Drang heraus, so nicht weitermachen zu wollen, als kleines Rädchen in einer Kette [Anm.: kommt mir bekannt vor …:-)]. Da wollte ich auch nochmal mehr mein Potential ausschöpfen. Wobei meine ehemalige Firma wirklich gut und fair produziert, mit gerechten Verträgen. Aber der vertikale Markt, die ganze untere Schiene, der richtige Massenmarkt… das ist alles andere als fair. Und da hab ich gesagt: Dem muß man irgendwie gegensteuern. Klar, da bin ich ein Tropfen auf den heißen Stein, aber vielleicht kommen ja nach dem Gießkannenprinzip ein paar weitere Tröpfchen dazu…

Das hoffe ich doch auch! Also das heißt, du achtest sowohl bei der Produktion auf Nachhaltigkeit, als auch darauf, daß die Teile nachhaltig und lang tragbar sind?

Ja – das macht ja schon allein mein Stil aus, daß der eben nicht irgendeinem Farbtrend unterliegt, sondern daß man das wirklich 10 Jahre tragen kann. Auch die Modelle, die ich mache, sind überwiegend nicht so hochmodisch, daß man die nur eine Saison tragen kann, sondern das soll immer relativ zeitlos sein.

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Sehr schön! Gibt es sonst noch Besonderheiten bei dir?

Die letzten 10 Jahre habe ich in einer Marketingabteilung gearbeitet und mich mit Lizenzen beschäftigt, weil ich zwei Kinder bekommen habe und nicht mehr Vollzeit arbeiten wollte. Da habe ich ein relativ umfangreiches Wissen erhalten, was Veröffentlichung, Media, Messebau, Sales-Strategien usw. betrifft. Das hat mir wahnsinnig viel geholfen, sodaß ich mich den Absprung dann auch leicht getraut habe.

Ich bin also losgezogen und konnte mich auf mehrere Beine stellen. ZB habe ich mit den Workshops angefangen, weil es mir wahnsinnig viel Spaß macht, meine Leidenschaft mit anderen zu teilen. Da bin ich zunächst eine Kooperation namens “Nähcafé” mit dem Café Dinzler in der Kunstmühle eingegangen, sodaß wir mittendrin im Café, auf den urigen Holztischen und umgeben von Kaffeeduft, unsere Upcycling-Teile nähen konnten. Ich hatte immer meine mobile Schneiderei dabei, die Leute konnten aber auch ihre eigenen Stoffe mitbringen, und dann haben wir da fröhlich gemeinsam losgenäht.

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Gibt es das immer noch?

Nein, das gibt es mittlerweile aufgrund der Zeit nur noch hier bei mir. Entweder als Workshops, oder manchmal nehmen wir die Leute auch einfach im laufenden Betrieb mit rein. Die Leute kommen dann mit ihrer eigenen Vorstellung und teils auch schwierigen Stoffen, und wenn sie unsere Maschinen oder unsere Beratung brauchen, dann sind wir da. Da kommen durchaus auch mal Leute ohne Vorkenntnisse, die sich etwas Besonderes nähen wollen, aber auch das funktioniert.

Dann können hier alle Maschinen genutzt werden, aber ich empfehle trotzdem immer, die eigene Maschine mitzubringen. Auf der können die Leute am besten nähen und sie sind ganz happy, wenn sie ihre Maschine kennenlernen – das ist auch Teil des Workshops.

Wie bist du denn ausgerechnet hier gelandet, in diesem wunderschönen Gebäude?

Als ich begonnen habe, hab’ ich bei uns in der Gemeinde nach einem Gewerberaum gefragt, der nicht zu weit weg und kostengünstig ist. Da haben sie mich zunächst in der Schule unweit von hier untergebracht. Dann hatte ich die ersten Messeauftritte und habe festgestellt, daß die Leute zu mir kommen wollen für ihre Maßanfertigungen, bei mir eine Anprobe machen, sich die Stoffe aussuchen und von mir beraten werden wollen. Da brauchte ich etwas Kundenfreundlicheres,  was auch besser zu mir paßt.

Da hab ich dann nochmal den Gemeinderat gefragt, ja und dann ist das hier frei geworden. Da habe ich sofort gesagt: Ja, nehm ich! Das Haus ist von 1895 und da war zuerst ein Polizeihauptmeister drin, der dann später umgezogen ist nach Marktl am Inn und dort den Papst Benedikt auf die Welt gebracht hat [lacht].

Dann waren hier auch schon zwei Schneider drin, 1925 und 1945. Hier näht es sich also fast wie von selbst… :-)

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Wie läuft das denn ab, wenn man zu dir kommt und ein Dirndl von dir maßgefertigt haben will?

Die Leute kommen meist aufgrund von Mund-zu-Mund-Propaganda zu mir oder haben meine Modelle auf der Messe gesehen, und da passiert gleich etwas. Die sagen gleich: Ah, sowas kann ich mir gut vorstellen, das sind meine Farben oder das ist genau die Qualität, die ich möchte. Dann machen wir einen Termin aus und sie kommen zu mir, und sie probieren das eine oder andere Modell aus, das ihnen gefällt. Dann suchen wir den Stoff dazu aus, sie werden ausgemessen und meistens kommen sie dann nochmal zu einer Anprobe. Zum Schluß wird es zugeschickt oder abgeholt.

Manchmal bringen die Leute auch selber einen Stoff mit. Eine Dame brachte zB eine bestickte Tischdecke aus dem Nachlaß ihrer Großmutter mit. Aus der habe ich dann die Schürze gemacht und den Ausschnitt damit verziert. Eine andere brachte besondere Knöpfe mit, die wir eingearbeitet haben. Die Leute können alles, was ihnen am Herzen liegt, mitbringen.

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Oh, das hört sich gut an. Dann hat man quasi einen Teil der eigenen Geschichte mit ins Kleidungsstück eingearbeitet!

Würdest du sagen, daß deine Lage hier auch einen gewissen Standortvorteil bringt, weil es zu deiner Marke gehört? Freuen sich die Leute, auch mal aus der Stadt rauszukommen, um hier etwas Besonderes einzukaufen?

Ja, auf jeden Fall. Erst letzte Woche hat eine Frau zu mir gesagt: Hier rauszukommen, ist wie Yoga. Die kommen hierher und dann blühen da die Blumen im Garten, und dann steht da dieses alte Jugendstilhäuschen. Alles ist sehr hell, und die Leute fühlen sich gleich wohl – es ist, als würde der Streß von ihnen abfallen. Das genießen die sehr und fahren auch wirklich gern hierher. Die Anwohner haben zwar am Anfang schon ganz schön geguckt, was ich hier denn eigentlich so mache, aber nachdem sie wissen, daß sie mir auch ihre ganzen Änderungen bringen dürfen, sind sie hier total glücklich mit mir.

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Was sind das so für Leute, die zu dir kommen, und wo kommen sie her?

Die meisten kommen aus München und aus Richtung Norden. Bis zu 100km ist normal. Aber auch von weiter her, wenn die Leute zB ein Sommerhäuschen in der Gegend haben und dann schauen, was ich Neues habe, wenn sie in der Nähe sind.

Größtenteils sind das Frauen im Alter zwischen 30 und 65, wobei ich auch Zwanzig- und Achtzigjährige dabei habe. Das Gros der Frauen ist um die 40, berufstätig. Die haben ihr eigenes Einkommen, haben einen eher klassischen Stil und einen Sinn für gute, hochwertige Qualität, aber auch für gute Paßform – da muß schon auch alles stimmen. Sie sind sehr selbstbewußt, auch einige Geschäftsfrauen, die ihre eigenen Betriebe haben und ganz genau wissen, was sie wollen. Die meisten Kunden behalte ich dann auch, wenn sie mir einmal „verfallen“ sind [lacht].

Auch besonders naturverbundene Leute, die Wert auf deine Philosophie legen?

Ja, auch, aber in erster Linie ist es der Stil, der ihnen gefällt. Daß das dann noch on top kommt, finden sie natürlich auch super. Es sind schon auch einige darunter, die gerne Yoga machen oder Yogalehrer sind, also die schon sehr bewußt leben und die auch einen nachhaltigen eigenen Lebensstil haben.

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Was sind deine Inspirationsquellen?

Einerseits bin ich ja selbst sehr natur- und landverbunden, andererseits brauche ich unbedingt auch das Urbane, um mich inspirieren zu lassen. Ob das nun Museen, Kunsthäuser oder Pinakotheken sind oder ein vollbesetztes Café. Aber auch Skandinavien, Hauptstädte sowieso, auch gerade die skandinavischen Hauptstädte, und letztendlich auch traditionelle Herstellung von Stoffen. Das löst bei mir einen unwiderstehlichen Reiz aus, den weiterzuverarbeiten.

Du machst jetzt gerade so eine Geste… ich glaube, du „siehst“ auch ganz viel mit den Händen, oder?

Ja, genau. Ich muß auch immer alles anfassen. Ich könnte mir nie einen Stoff über’s Internet bestellen, sondern ich muß alles be-greifen. Das Haptische spielt eine große Rolle, genau wie der Geruch. Ich kann deswegen auch keine Chemiefaser verarbeiten, weil ich das irgendwie gar nicht anfassen mag.

Ich bin jetzt eine ganz tolle Kooperation eingegangen mit einer Textilingenieurin, die Hanf aus Belgien hier weben läßt. Sie hat herausgefunden, wer das hier in Deutschland weben und stricken kann, und davon bin ich total begeistert. Der Hanf an sich ist ja eine energieausgleichende Ware, wie die Wolle, und außerdem saugfähig. Man kann sie also auch gut sportiv benutzen, und das ist eine wunderwunderschöne Ware.

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Wie finden dich deine Kunden?

Zum einen über meine Website, wenn sie etwas Bestimmtes suchen, zB kommen sie über die Dirndl oder Kinderdirndl auf mich. Aber auch über die Messen, wo ich sehr viele Leute durch meine Karten und meine Modelle wiedertreffe. Im Halbjahr bin ich bestimmt auf 2-3 Messen unterwegs. Oder ich veranstalte dann selber was im Atelier… [hint, hint: Zum Beispiel am 6. Mai ab 14 Uhr beim Maimarkt – ich werde auch da sein ;-)]

Eins der ersten Dinge, die mir bei dir aufgefallen sind, ist auch deine starke Marke, eine wirklich wiedererkennbare Identität. Nicht nur bei den Produkten an sich, sondern auch beim Branding. Merkst du, daß das auch die richtigen Leute anspricht?

Ja. Das war mir selbst ganz ganz wichtig, von Anfang an eine Identität zu haben. Und ich weiß auch durch meine Vergangenheit, wie wichtig das Branding ist und die Verpackung. Oder auch, daß das alles aus einer Hand kommt. Das war mir bewußt, und so ist auch mein Arbeitsstil: Daß alles auf diese Marke einzahlt. So spiegelt zB auch das Herz im Logo wider, daß alles von Herzen kommt und liebevoll gemacht ist. Ich wollte auf gar keinen Fall, daß das, weil ich ja viel Upcycling mache, in so eine Second-Hand-Richtung geht.

Deswegen hat das Branding auch eine Freundin für mich gemacht, die bei einer sehr guten Münchner Werbeagentur arbeitet.

Liebe Gudrun, ganz herzlichen Dank für deine Zeit und das ausführliche Interview! Ich freue mich schon auf den Maimarkt bei dir in Söchtenau am 6.5.2017 und natürlich auf mein eigenes Lieblingsteil-Dirndl ;-)

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