Wer auf regionale Produkte steht und gerne guten Kaffee trinkt, der wird früher oder später auf die Martermühle stoßen. Deswegen war mir das urige Café in einem alten Bauernhof am Ortsrand von Aßling schon länger ein Begriff. Seit vor etwa einem Jahr das Branding komplett überarbeitet wurde, führt außerdem kaum noch ein Weg an den auffälligen Displays in meinen Lieblingssupermärkten vorbei. Höchste Zeit, die Leute hinter dem Betrieb einmal näher kennenzulernen.
An einem warmen Sommertag empfangen mich einer der beiden Inhaber Peter Vit und Marketing-Managerin Hannah Marks zu einem Gespräch bei… ja, wobei wohl? Bei einer Tasse Kaffee natürlich! Aber nicht ohne vorher das Teamfrühstück am großen Vintage-Holztisch zelebriert zu haben, denn ein familiäres Klima wird in den Rösterei großgeschrieben…
Lieber Peter, du betreibst hier mit deinem guten Freund Ralf eine Kaffeerösterei mitten im Bayerischen Oberland. Wie kam es dazu?
Wir haben lange schlechten Kaffee getrunken und sind zusammen durch die Lande gezogen auf der Suche nach gutem Kaffee. Und irgendwann haben wir gesagt: Wir machen’s selber. Wir haben angefangen, zu Hause zu experimentieren, und aus diesem Hobby ist jetzt das gewachsen.
Wie ist das alles losgegangen mit der Gründung?
Angefangen hat es damit, daß uns das Thema Kaffee fasziniert hat. Wir sind am Wochenende, wenn wir Zeit hatten, in der Umgebung von 100 Kilometern hier Röstereien abgefahren und haben uns da umgeschaut. Mit einer kleineren Rösterei haben wir uns ein bißchen angefreundet, und jedes Mal beim Heimfahren kam das Thema: Wir machen das auch. Am Montag war dann wieder Arbeitsbeginn und das Thema war bis zum Freitag vom Tisch.
So ging das eine Zeit lang, bis wir irgendwann die Röster gefragt haben: Wie geht das, was muß man da machen? Wir hatten ja keine Ahnung und waren wirklich Quereinsteiger. Der Röster hat uns ermuntert und wir durften beim Rösten zuschauen, er hat uns auch besucht und uns unterstützt, als wir unseren ersten eigenen Röster gekauft hatten.
Dann haben wir einfach drauf losgelegt. Wir standen täglich nach Feierabend am Röster. Wir sind dann mit einem Kaffee und einem Espresso gestartet und schon haben die Leute am Fenster geklopft und wollten Kaffee kaufen.
Aufgebaut haben wir das neben unseren Hauptberufen; wir waren beide vorher 25 Jahre im Filmbusiness tätig und haben unsere Angestelltenjobs nach und nach reduziert.
Gab es denn einen Plan?
Ja, das schon. Das ist jetzt so lustig erzählt, aber wir hatten natürlich einen Businessplan und eine Strategie. Aber begonnen haben wir wirklich mit dem Röster, die zweite Anschaffung war eine Kaffeemaschine. Wir haben uns vorgenommen, was wir in dem Jahr schaffen wollten, aber das haben wir bei weitem übertroffen.
Das ist jetzt 10 Jahre her. Daß wir mal 25 Mitarbeiter haben und 40 Sorten Kaffee rösten, hätten wir damals nicht gedacht.
Wie fiel die Wahl auf diesen wunderbaren Standort?
Ganz einfach: Wir wohnen hier in der Nähe und kennen den Besitzer des Hofes. Wir haben uns ja von einem Tag auf den anderen eine gebrauchte Röstmaschine gekauft und haben die hierher transportiert, weil bei dem Bauern, den wir kannten, ein Raum frei war. Das war der Anfang.
Was macht denn einen guten Kaffee aus?
Das fängt schon an mit dem Anbau: Wie hegt der Bauer seine Pflanze, wie erntet er? Ein guter Kaffee ist handgepflückt im Gegensatz zu den maschinell gepflückten herkömmlichen Kaffees. Dann natürlich unser Part, das Rösten. Das ist das Wichtigste, worauf wir selbst einwirken können. Mit Leidenschaft und Zeit das Beste aus der Bohne herausholen. Dann geht’s weiter mit der Zubereitung, da hat jeder seinen individuellen Geschmack… aber wichtig ist ein gutes Produkt.
Habt ihr denn irgendwelche Zertifizierungen, Bio, Fair Trade und dergleichen?
Ein Bio-Zertifikat haben wir für mehrere Sorten Kaffee und Espresso. Fairtrade haben wir nicht, weil wir Direct Trade machen, also selber zu den Bauern fahren und mit denen verhandeln. Das ist uns mehr wert als Fair Trade.
Es können sich zB auch gar nicht alle Bauern solche Zertifikate leisten. Als Beispiel hatten wir einen Bio-Kaffee, wo der Bauer noch Bio angebaut hat, aber die jährlichen Kontrollen sind irgendwann zu viel geworden, aufwand- und kostenmäßig. Der Kaffee ist jetzt konventionell, aber er baut weiterhin seinen Kaffee an wie immer, nur ohne die Papiere. Wir sind schon für Bio und Fair Trade, aber das ist uns zu wenig. Wir fahren lieber hin und schauen selbst, wie die dort arbeiten und wie fair das ist.
Alle Kaffeebauern haben wir noch nicht besucht, da liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber wir versuchen, in jedes Land zu fahren, woher wir unseren Kaffee beziehen, und waren jetzt in 4-5 Ländern. Da fährt man oft über kleinste Straßen und erlebt richtige Abenteuer…
Das sind ja oft Urlaubsländer – Costa Rica, Brasilien und so weiter… überall auf der Welt um den Äquator rum wächst Kaffee. Wenn man sich da mal nen halben Tag Zeit nimmt und sich vor Ort anschaut, wie mühevoll es ist, ein Kilogramm Kaffee zu pflücken, wird man in Zukunft seinen Kaffee anders genießen und auch einkaufen.
Heißt das, ihr seid Direktabnehmer aller eurer Zulieferer?
Nicht von allen, aber von vielen, ja. Wobei das ja immer über den Umschlagplatz Hamburg läuft. Aber wir kommunizieren selber mit den Bauern.
Wie lang seid ihr schon befreundet und warum?
Kennengelernt haben wir uns durch unsere Frauen.
Wir sprechen dieselbe Sprache, verfolgen die gleichen Ziele und ergänzen uns auch fachlich gut. Die Interviews macht eigentlich der Ralf, das schätze ich auch an ihm (lacht laut). Er steht auch gerne am Röster und überläßt mir den Part, zu den Bauern zu fahren. Wenn ich dann aber ne Führung hier mache und am Röster stehe, erzähle ich schon gerne von den Erlebnissen in den Ursprungsländern.
Bei einer normalen Reise kommst du so wo gar nicht hin. Das sind keine Touristenplantagen, sondern wir fahren 3-4 Stunden mit dem Jeep durch den Dschungel, wo man meint, da sei gar kein Weg mehr. Und schließlich landet man in einem kleinen Dorf weit weg von den Städten, wo sie den Kaffee anbauen. Das treibt mich an und fasziniert mich.
Kaffee ist ja leider ein Ramschprodukt geworden. Man drückt in der Tankstelle auf den Knopf, bekommt seinen Pappbecher und weiß gar nicht, wie das schmecken kann. Das können wir nicht ändern, aber wir wollen das für unsere Kunden besser machen. Das Kaffeeprodukt zu dem machen, was es wert ist, und auch die Arbeit der Bauern wertschätzen.
Manchmal nehme ich auch den Bauern etwas von uns mit, in unseren schönen Verpackungen. Da glänzen dann die Augen, wenn man denen das in die Hand drückt und sagt: Das hast du gemacht.
Wer sind eure Kunden?
Wir haben verschiedene Vertriebswege. Einmal den Einzelhandel hier in der Region, allen voran Edeka und Rewe. Ein guter Markt ist auch der Onlinehandel, wir versenden in der Regel innerhalb von 1-2 Tagen ab Bestellung. Dann natürlich B2B-Kunden wie Cafés, Hotels, Bistros, Büros… und natürlich direkt hier die Rösterei mit dem Café.
Die Leute besuchen uns aus München, Landshut, Regensburg… aber wir hatten auch neulich eine Gruppe Radler von der Ostsee hier. Die sind mit dem Rennrad in 8 Tagen hier an den Chiemsee runtergefahren und haben sich die Martermühle als Einkehr ausgesucht. Wir haben auch Kunden in Hamburg, die uns hier besuchen, wenn sie in den Urlaub nach Italien fahren.
Aber im Grunde genommen haben wir einen Radius von 50-60 Kilometern.
Was tut sich bei euch und was steht als nächstes an?
Diesen Juli haben wir 10-Jähriges gefeiert, da hatten wir hier ein kleines Fest für unsere Kunden. Der Andrang hat alle unsere Erwartungen übertroffen.
Dann war gerade der erste Spatenstich für unseren zweiten Standort in Grafing, eine kleine Produktions- und Lagerhalle. Denn Platz haben wir hier nicht mehr genug. Aber trotzdem bleibt Aßling natürlich unverändert erhalten.
Letztes Jahr hatten wir als großen Schritt unser Branding. Wir haben 8 oder 9 Jahre in Um- und Ausbau des Bauernhofs investiert. Jetzt wollten wir eine frischere, jüngere Marke, die Kraft ausstrahlt und auffällt, da wir ja auch viel im Einzelhandel sind. Herausgekommen ist eine neue Bildmarke und die aluminiumfreien Tüten mit den vier Tütenfarben. Die Arbeit mit der Agentur hat fast ein halbes Jahr gedauert, es waren viele Meetings und Besprechungen nötig, aber zum Schluß ist was Gutes herausgekommen und wir sind beide zufrieden.
Ich weiß nicht, ob es Röstereien gibt, die so viel in eine Marke investieren, aber das Auftreten ist uns schon sehr wichtig und macht auch einen großen Teil unseres Erfolgs aus. Wir haben 2-3 Monate gebraucht, um uns drauf einzulassen, und die Kunden genauso. Aber um größer zu werden, war dieser Schritt dringend notwendig. Und mittlerweile können wir’s uns gar nicht mehr anders vorstellen.
Wo seid ihr in zehn Jahren?
Als nächstes bauen wir unsere Produktionshalle, das ist jetzt mal der nächste Schritt, aber unsere Kaffeereise geht immer weiter.
Lieber Peter, herzlichen Dank für das Interview!
Die Martermühle findet ihr hier im Web:
Website: martermuehle.de
Facebook: martermuehle
Instagram: martermuehle_kaffeeroesterei